Ehemaliges Gutsgelände unterhalb des „Außen-Parks“
in Dabroszyn (Tamsel), 2018, Foto: Kienzle (Silbergelatine Papier, 38 x 48cm)
Tamsel ist ein reiches, schön gelegenes Dorf, etwa
eine Wegstunde östlich von der alten Festung Küstrin.
Waldhügel, deren gewundene Linien muthmaßlich
das alte Bett der Warthe bezeichnen, schließen
das Dorf von Norden her ein, während nach Süden
hin die Landschaft offen liegt und die Flußarme in
allerlei Windungen sich durch das Bruchland ziehen.
Die Küstriner hängen mit großer Liebe an Tamsel,
und so oft sie seinen Namen nennen, überf liegt ein
Lächeln ihre Züge, nicht unähnlich der stillen Heiterkeit,
mit der die Berliner den Namen „Charlottenburg“
auszusprechen pf legen. Hier wie dort mischt sich kein
Stolz über historische Erinnerungen in dieses Lächeln;
es ist der Ausdruck vielmehr eines plötzlich wiederbelebten
Wohlgefallens, einer freundlichen Rückerinnerung
an Park und Schloß, an Wasserpartieen
und Feuerwerke, an eine lange Reihe heiterer Landschaftsbilder,
die bei bloßer Nennung des Namens noch
einmal leise an dem inneren Auge vorüberziehen. […]
Das Terrain, auf dem Tamsel liegt, hat viel Aehnlichkeit
mit den schönen Oderbruch-Parthieen zwischen
Falkenberg und Freienwalde. Im Rücken eine Bergwand,
mehr oder weniger steil, hier und dort durch eine
Schlucht durchbrochen und überall mit Laub- und Nadelholz
bestanden; am Fuß dieser Bergwand ein Dorf
und zu Füßen des Dorfs ein Wiesengrund, oft überschwemmt
und immer von Flußarmen durchzogen. So
ist das Freienwalder Terrain; so ist auch die Landschaft
um Tamsel her.
Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Zweiter
Theil: Das Oderland. Barnim. Lebus, Berlin:
Wilhelm Hertz 1863, Kapitel „Tamsel“, S. 15
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